Grünblick: Nachhaltige Landwirtschaft 2022

Am 22. August machten sich 15 junge Menschenzwischen 17 und 25 Jahren in ganz Deutschland auf zum GrünblickWorkcamp zum Berufsfeld „Landwirtschaft“ in den Nordschwarzwald. Dabei ging es nicht nur darum Berufsperspektiven in der nachhaltigen Landwirtschaft zu finden, sondern auch, um den Weg zur eigenen Berufung zu finden. Nebenbei konnten die Jugendlichen in Workshops, Gruppenarbeiten und Begegnungen das Öko-Dorf Schernbach der „Gemeinschaft Sonnenwald“ und der „Akademie für angewandtes gutes Leben“ als Beispiel für ein nachhaltiges Zusammenleben von Morgen kennenlernen.
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29.09.2022 / 14 Uhr
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Starkmacher

Die Teilnehmenden kamen getrieben von der Neugier für ihren privaten Alltag als auch für ihr Studium und Ausbildungsfeld nachhaltige Tipps und Handlungsmöglichkeiten zu entdecken. Manche wollten einfach konkrete Tipps, wie sie auf Balkon und Garten pestizidfrei Gemüse anbauen können, andere hatten ein Bauernhof geerbt und suchten zukunftsfähige Perspektiven und der dritte Teil wollte insgesamt das System Landwirtschaft verstehen, um als Betriebswirt:in, Investmentberater:in oder Politiker:in die richtigen Entscheidungen zu treffen. Auch das Vorwissen war sehr divers, vom ersten Mal im grünen Klee zu stehen, bis hin zu fundierten Interessen und sogar Erfahrungen mit Permakultur, Agroforstwirtschaft, Politik oder Terra Preta.

Geleitet wurde das Workcamp in diesem Jahr durch Helmut Wolman von Ideen³ e.V. und Marie Haas sowie Annegret Finck von der Akademie für angewandtes gutes Leben, die vom Hofteam durch Johann, Lisi, Sarah, Jörg und Paul fachlich und praktisch unterstützt wurden.

Ernährungswende und Lebenswege finden

Das Workcamp hatte für die meisten Fragen der Teilnehmenden einen Raum zu bieten: Der Montag begann mit den persönlichen Erwartungen und den globalen Herausforderungen, die wir anhand der Vorerfahrungen der Teilnehmenden und einem wissenschaftlichen Vortrag von Olef über die globale Landwirtschaft und die ökologischen Belastungsgrenzen kennen lernten. Dies war eine wichtige Grundlage um politisch die richtigen Prioritäten zu setzen und im Konkreten dann auch die richtigen Lösungsansätze auszuwählen, bspw. die Relevanz kleinbäuerlicher Landwirtschaft, Insektenvielfalt oder Humus als CO2-Speicher.

Um die globale Reichweite der Herausforderungen aber auch den aktuellen Stand der politischen Lösungen zu verstehen, waren über das gesamte Gelände von Hof und Gemeinschaft Lern-Stationen zu den 17 Nachhaltigkeitszielen aufgebaut, bei welchen die Teilnehmenden in Kleingruppen die genauen Zielvorgaben und deren Implementierung diskutieren konnten.

Nach einem Abend am See der Nagold-Talsperre und dem Abendessen malten die TN ihre Lebensflüsse von der Geburt bis zum aktuellen Zeitpunkt auf ein Flipchart, mit allen für sie relevanten Stromschnellen, Stauseen oder allem, was am Ufer vorbeigezogen ist. In Dreiergruppen, den sogenannten Triaden, hatten sie dann jeweils eine halbe Stunde Zeit, ihr Leben den beiden anderen im Vertrauten zu teilen. Dies war auch die Grundlage für den täglichen Austausch in den Berufungstriaden zu Fragen aus dem Ikigai: Für die folgenden Tage hatten wir stets eine Frage des Tages, die im Morgenkreis gestellt wurde und worüber die Teilnehmenden ein Tag lang bei der Arbeit nachdenken durften und worüber sie sich jeden Abend austauschten:

1. Mittwoch: Was liebe ich zu tun? (Passion / Träume )

2. Donnerstag: Was kann ich gut? (Hobby / Skills)

3. Freitag: Was braucht die Welt und wofür sind andere bereit zu zahlen? (Bedarf / Sinn)

Einfach mal reinhauen

Schon am zweiten Tag standen einige Teilnehmenden bereits um 6 Uhr auf um morgens beim Melken zu helfen. Es waren sogar so viele, dass wir Kleingruppen machen musste und jeden Tag andere 3 Teilnehmenden beim Füttern, Ausmisten und Kühe treiben helfen durften. Einfach mal mitmachen und reinhauen und dabei erleben, was das Leben eines Bauern ist, auch das Aufstehen mit der Sonne, war ein Ziel des Camps.

Den ganzen Mittwoch verbrachten wir auf dem Hof. Nach einer kurzen theoretischen Einführung von Paul zu Agroforstprinzipien und den Prozessen zum Humusaufbau wurde uns die gesamte Vielfalt des Hofes, vom vielfältigen Ackerbau, Gemüsebau und den Baumschulen bis zur Tierhaltung mit Kühen, Hühnern und Schweinen vorgestellt und mit welchen Kreisläufen alles verbunden ist.

Donnerstag und Freitag konnten die Teilnehmenden vormittags in einem von fünf Arbeitsbereichen mithelfen und praktische Erfahrungen sammeln: im Gemüsebau im Permakultur-Garten (Ernten und Beikrautpflege), in der Imkerei, der regenerative Agrikultur (Kartoffelernte), in der Großküche und in der offenen Werkstatt (Fahrräder- und Maschinenreparatur). Alles für einen Hof wesentliche Arbeitsfelder.

Donnerstagnachmittag brachten die Teilnehmenden ihre eigenen Themen und Ideen im Rahmen eines Open Spaces auf den Tisch. Von Backen, Klettern, Naturverbindung, Work-Life-Balance bis zu Debatten zu einem neuen Wirtschafts- und Bildungssystems und praktischer Fahrradreparatur in der Werkstatt war alles dabei.

Konzepte für die (Land-) Wirtschaft von morgen finden

Die Teilnehmenden bekamen Einblicke in das Zusammenleben und die Struktur der Gemeinschaft, sowie am Freitagnachmittag eine Exkursion zu einem Bio-Bauern. Auf dem Bio-Hof erlebten die Teilnehmenden den Arbeitsalltag eines Bio-Landwirts im realen Wirtschaftsumfeld. Sie diskutierten über Tierhaltung, Milchpreise, Arbeitsbelastung, Wertschätzung innerhalb der Gesellschaft und der beruflichen Perspektive von Landwirt*Innen hinsichtlich des Klimawandels. Auch wurde der gesellschaftliche Trend hin zur vegetarischen und veganen Ernährung sowie deren Auswirkungen auf die traditionelle Landwirtschaft diskutiert.

Die Bewohner des Öko-Dorfs Schernbach verfolgen einen nachhaltigen Lebensstil und versorgen sich größtenteils selbst. Gleichzeitig ist die extensive Landwirtschaft ein innovatives Forschungslabor, wofür sich nicht nur internationale Studiengruppen der Uni Hohenheim, sondern auch die größten Lebensmittelkonzerne Europas interessieren. Inwieweit man dem bestehenden, kapitalistischen System zu einer Transformation verhelfen kann bzw. ob man sich prinzipiell von den Aktienkonzernen fernhalten muss um eine alternative, kooperative Ökonomie aufzubauen, sorgte in der Gruppe für lebhafte Diskussionen und im Ort durchaus für politische Hintergrund-Spannungen.

Dieser Frage widmeten wir den kompletten Samstag und fragten uns anhand von Ken-Wilbers Quantentheorie welche Individuellen und welche Kollektiven Impulse und Maßnahmen wir gestalten bzw. beeinflussen können und wie der innere Wandel unserer Werte und Glaubensmuster mit dem äußeren Wandel in unseren Handlungen und politischen Entscheidungen in Wechselwirkung steht.

Um hierzu praktische Beispiele der Transformation in allen Städten der Teilnehmenden zu zeigen, wurde die Kartevonmorgen.org vorgestellt und damit die eigene Heimatregion entdeckt sowie was dort bereits zukunftsfähiges Existiert. Die Karte von morgen ist eine interaktiven Onlineplattform für Initiativen des Wandels und für nachhaltige Unternehmen. Die Teilnehmenden hatten die Aufgabe, ihr eigenes Lebensumfeld auf der Nachhaltigkeitskarte zu erkunden, neue Einträge zu kartieren und bereits gelistete Organisationen zu bewerten sowie in ihren sozialen Netzwerken zu teilen.

Am Nachmittag hatten wir noch ein spannendes Interview mit dem „Jungen Bioland e.V.“ über Ausbildungsmöglichkeiten aber auch, wie Höfe, ggf. mit Förderung der EU auch von jungen Menschen übernommen werden können. Herr Rupp von der Landwirtschaftskammer in NRW zeigte ebenso abschließend noch konkrete Erfahrungen aus seinem Beratungsalltag von Politik und konventionellen Landwirten.

Abgeschlossen wurde die Woche mit einem professionell angeleiteten Wandercoaching von movingmountains.eu, welches darauf ausgelegt war, den Teilnehmenden ihre persönlichen Wünsche und Potenziale, unabhängig von alltäglichen Einflüssen (Eltern, Schule und sozialem Umfeld) zu verdeutlichen. Somit bekamen die Teilnehmenden abschließende Impulse bezüglich ihrer Berufsorientierung sowie eine konkrete Anleitung für die nächsten Schritte.

Termine und Anmeldung

Mehr Informationen zum Projekt sowie Terminen und Anmeldung unter http://www.grünblick.de

Unterstützung

Das Projekt „Grünblick“ wird im Rahmen des ESF-Bundesprogramms „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung befördern. Über grüne Schlüsselkompetenzen zu klima- und ressourcenschonendem Handeln im Beruf – BBNE” durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie den Europäischen Sozialfonds gefördert.